Wie die zunehmende Ungleichheit und Geldpolitik zusammenhängen

Der Zusammenhang zwischen Geldpolitik und Ungleichheit

In den beiden vorigen Artikeln wurde über gesellschaftliche Gegensätze berichtet: Zuerst über die Superreichen, dann über die Obdachlosen. Sowohl die Zahl an sehr reichen als auch die Zahl an sehr armen Menschen hat in Deutschland in den vergangenen Jahren zugenommen. In anderen Worten: Die Ungleichheit ist angestiegen. Nun soll ein Bogen zu zwei wichtigen Themen bei der Volkswirtin geschlagen werden: Wir betrachten, wie die zunehmende Ungleichheit und Geldpolitik zusammenhängen.

Wie Geldpolitik mit Ungleichheit, Reichtum und Armut zusammenhängt

Zentralbankpolitik

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist seit der Finanzkrise 2007/2008 eines: locker. Das heißt, dass die Zinsen sehr gering sind, zeitweise sogar negativ waren. Zudem »druckt die EZB Geld« bzw. kauft sie im großen Stil Staatsanleihen auf und greift somit den verschuldeten EU-Staaten unter die Arme (hier findet sich eine Übersicht über die Programme). Halten wir fest: Niedrige Zinsen. Steigende Verschuldung der Staaten. Steigende Bilanzsumme des Eurosystems.

2022 fand ein Wandel in der Geldpolitik statt und die EZB erhöhte die Zinsen. Aber nur leicht. Aktuell wird viel darüber spekuliert, ob die US-amerikanische Zentralbank FED und die EZB bald wieder eine Kehrtwende vollziehen und die Zinsen belassen bzw. wieder senken (dahinter steckt auch ein Dilemma, in dem sich die Zentralbanken befinden).

Die Effekte der lockeren Geldpolitik

Bei meinen Recherchen war ich überrascht: Es gibt einige Studien zu dem Thema, wie Geldpolitik und Vermögensverteilung zusammenhängen.

Landläufig wird leider oft überhaupt nicht gesehen bzw. in den Medien wenig thematisiert, dass die Geldpolitik überhaupt einen Einfluss auf die Vermögensverteilung haben könnte.

Beispiele für Studien sind:

Gunther Schnabl, Die Verteilungseffekte der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank destabilisieren Europas Demokratien, Austrian Institute Paper Nr. 18 (2017)

Armut und Ungleichheit in Deutschland, Guido Raddatz, Argumente zu Marktwirtschaft und Politik, Nr. 162 (2022)

Der Einfluss der EZB-Geldpolitik auf die Vermögensverteilung in Deutschland, Stiftung Familienunternehmen, 2021

 

Es lassen sich verschiedene mögliche Effekte über verschiedene Kanäle und Wirkungsweisen zwischen Geldpolitik und Ungleichheit feststellen. 

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Es bleibt die Frage, wie diese zu gewichten sind. Die unterschiedlichen Studien kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Im Folgenden greife ich einige Effekte heraus, die ich für zentral halte:

Wirkung der Zinsen

Niedrige Zinsen bewirken unter anderem, dass Geld weniger wert wird: Ist die Inflation höher als die Zinsen, so gibt es negative Realzinsen. Man kann kein Geld anlegen, indem man es auf dem Sparbuch lässt. Die lockere Zentralbankpolitik der letzten Jahre hat also bewirkt, dass eine konventionelle Geldanlage nicht mehr lukrativ ist bzw. der Euro (analog Dollar) an Stabilität und Wert verloren hat. Also Folge sind Sachanlagen jeglicher Kategorie im Wert gestiegen: Allen voran Immobilien, aber auch Edelmetalle wie Gold, oder auch Aktien, ja auch Bitcoin.

Effekt für Reiche

Von steigenden Werten für Sachanlagen haben erst einmal Menschen mit Vermögen profitiert. Immobilienbesitzer konnten beobachten, dass der Wert ihrer Immobilie stark ansteigt (bei abbezahlten Krediten gibt es auch keine Effekte der Zinsen auf Kredite). Ebenso ist der Wert vieler Aktien angestiegen. Dies ist ein wichtiger Grund, warum reiche Menschen noch reicher geworden sind.

Effekt für Arme

Arme Menschen besitzen in der Regel keine Immobilien. Ebenso wenig haben sie die Mittel, in Aktien zu investieren. Folglich haben sie nicht vom steigenden Wert der Sachanlagen profitiert. Demgegenüber stehen seit 2021 offiziell steigende Inflationsraten. Diese hingegen treffen ärmere Menschen überproportional. Wenn diese Konsumgüter kaufen, bekommen sie weniger für ihr Geld.

Effekt für die Mittelschicht

Werfen wir noch einen Blick auf die Mittelschicht: Bei niedrigen Zinsen werden Kredite günstiger. Auf diesem Weg profitieren Nettoschuldner von niedrigen Zinsen. Sparer hingegen verlieren. Hierzu zählt vor allem die Mittelschicht, die verliert.

Anmerkung: Selbstverständlich ist die Situation individuell. Menschen aus der Mittelschicht, die sich ein Haus gekauft haben, bevor die Immobilienpreise stiegen, oder die durch die niedrigen Zinsen günstige Kreditkonditionen bekommen haben, konnten auch profitieren. Tendenziell lässt sich auch sagen, dass ältere Menschen mit abbezahlten Immobilien Vorteile gegenüber jüngeren Menschen haben, die aktuell den Kauf einer Immobilie erwägen.

Die Argumente der EZB

Auf der Website der EZB gibt es einen Artikel aus dem Jahr 2016 mit dem Titel: Erhöht die Geldpolitik die Ungleichheit?

Darin gibt die Institution zu: »Die Geldpolitischen Sondermaßnahmen könnten die Vermögensungleichheit über einen Anstieg der Vermögenspreise kurzfristig erhöht haben.«

Allerdings verweist die Zentralbank auf ein anderes Argument. Ihre Maßnahmen (also die lockere Geldpolitik) hätten den Arbeitsmarkt und die Konjunktur stabilisiert. So hätte sie indirekt Arbeitsplätze geschaffen und Menschen vor Armut bewahrt.

Der Vermögenseffekt würde sofort greifen, die Effekte auf den Arbeitsmarkt zeitverzögert. Daher das Fazit: »Der mittel- bis langfristige Effekt sei bislang aber unklar, da dieser wesentlich von den gesamtwirtschaftlichen Anpassungsprozessen in Reaktion auf die geldpolitischen Maßnahmen abhänge.«

Kompliziert ausgedrückt für: Alles nicht so ganz klar.

Die EZB mag offizielle Arbeitslosigkeit durch ihre Eingriffe offiziell gesenkt haben. Das Argument klingt plausibel. Das Problem hierbei ist nur: Oft kann man von Arbeit nicht mehr leben. Menschen im Niedriglohnsektor sind trotz Arbeit arm. Während Angestellte bei der Europäischen Zentralbank sicher nicht als arm gelten.

Fazit

Wenig verwunderlich scheint mir, dass die EZB ihre eigene Politik verteidigt. Man könnte argumentieren, dass das Mandat der EZB sich auf Preisstabilität beschränkt und nicht auf Vermögensverteilung. Doch leider bleiben Zweifel, wie gut die EZB dieses Mandat erfüllt. Und warum sie sich dann den Klimaschutz auf die Fahne geschrieben hat.

Für mich sind die Zusammenhänge zwischen zunehmender Ungleichheit und Geldpolitik nicht von der Hand zu weisen. Die wichtigsten Wirkungskanäle habe ich in diesem Artikel geschrieben: Reiche Menschen profitieren von steigenden Werten bei Sachanlagen. Ärmere Menschen profitieren hiervon nicht, dafür trifft sie die Inflation stärker. Sparer der Mittelschicht verlieren, da das ersparte Geld auf dem Konto an Wert verliert. Dies sind Argumente, warum die Effekte der lockeren Geldpolitik die Ungleichheit verstärkt haben.

Es ist ein unschöner, leider zu wenig beachtete Nebeneffekt, dass nicht nur die Politik, sondern auch die Geldpolitik einen Einfluss auf die weiter auseinander klaffende Schere zwischen arm und reich hat.

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