Das Dilemma der Zentralbanken

Die Europäische Zentralbank betreibt seit vielen Jahren eine expansive Geldpolitik. Das gilt ebenso für andere Zentralbanken. Was das bedeutet, erkläre ich in diesem Artikel. Im Folgenden wird auch das Dilemma der Zentralbanken aufgezeigt, sollten die Verbraucherpreise zukünftig steigen. Zum Beispiel wenn der Konsum und die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder anziehen.

Das Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Bildquelle: Pixabay

Die Zentralbankpolitik

Eine expansive Geldpolitik bedeutet einerseits eine Politik der niedrigen Zinsen. Der Leitzins der EZB ist der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank Geld leihen können. Er liegt bei 0%. Niedrige Zinsen sollen die Wirtschaft ankurbeln: Man hofft, dass die Geschäftsbanken die niedrigen Zinsen der Zentralbank bei der Vergabe von Krediten an Kreditnehmer weitergeben. 

Das oberste Ziel der EZB lautet: Für Preisstabilität sorgen. Und zwar mit einer Inflationsrate von 2% pro Jahr. Man mag die Berechnung der Inflationsrate anzweifeln, doch nimmt man die offiziellen Inflationsraten, so lagen diese in den letzten Jahren unter 2% – womit die EZB ihre Nullzinspolitik rechtfertigt.

Denn eigentlich sollten die Zinsen nicht dauerhaft bei 0% liegen. Die Zentralbank sollte mit ihrer Politik theoretisch den Konjunkturzyklen gegensteuern: Das bedeutet niedrige Zinsen in Krisenzeiten, um die Wirtschaft anzukurbeln, und positive Zinsen in allen anderen Zeiten. So gesehen befindet sich Europa geldpolitisch seit 2007 im Krisenmodus, denn seitdem liegt der Leitzins bei 0%. Daher kann kann die EZB die Wirtschaft in der aktuellen Corona-Krise nicht neu stimulieren.

Somit gehen die Maßnahmen der EZB weiter: Seit einigen Jahren kauft sie andererseits Staatsanleihen. Staaten verschulden sich, in dem sie Staatsanleihen ausgeben. Private und institutionelle Anleger sowie Banken können diese Staatsanleihen kaufen. Mittlerweile tun es auch die Zentralbanken: Staaten machen Schulden und die Zentralbanken geben ihnen das Geld dafür, indem sie die Anleihen aufkaufen. Man kann kritisieren, dass die EZB durch diese Maßnahmen ihre Unabhängigkeit von der Politik verloren hat. Eigentlich soll sie unabhängig sein.

Die Höhe der Zinsen auf Staatsanleihen spiegelt das Ausfallrisiko einer Anleihe wider. So sind griechische Staatsanleihen höher verzinst als Deutsche, da mit ihnen ein höheres Ausfallrisiko einhergeht. Jedoch sind auch die Zinsen, die der griechische Staat zahlen muss, mit weniger als 1% nicht exorbitant hoch. Wohingegen deutsche Staatsanleihen paradoxerweise im Moment negativ verzinst sind.

Das Dilemma der Zentralbanken

Da die EZB eine solch expansive Geldpolitik betreibt und dadurch bereits viel neues Geld geschaffen hat, mehren sich von vielen Seiten die warnenden Stimmen vor einer Inflation (nicht nur die Volkswirtin ist besorgt).

Inflation: Preisspirale dreht sich schneller – Zeitungsartikel vom 2. März 2021

Zieht die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder an oder erhöht sich der Konsum, so sind Preiserhöhungen eine wahrscheinliche Folge. Würde die offizielle Inflationsrate über 2% steigen, müsste die EZB eigentlich mit einer restriktiven Geldpolitik gegensteuern, um ihrem Mandat der Preisstabilität nachzukommen. Das würde heißen: keine neuen Staatsanleihen kaufen. Die Bestände an vorhandenen Staatsanleihen abbauen, um das zuvor geschaffene Geld wieder vom Markt zu nehmen. Und die Leitzinsen erhöhen.

Die unerwünschten Konsequenzen daraus könnten sein: Unternehmen müssten höhere Zinsen auf Kredite bezahlen. Auch Konsumenten- und Immobilienkredite würden teurer werden. Wenn einige Akteure ihre Kredite nicht zahlen können, kommen die Banken in Bedrängnis. Wir erinnern uns an die Banken- und Finanzkrise 2007 /2008. Auch die Staaten könnten Probleme bekommen: Die Zinsen auf Staatsanleihen würden steigen. Manche Staaten könnten die Zinsen auf ihre Schulden nicht mehr refinanzieren. Stichwort Griechenlandkrise. Oder Zypernkrise. Oder Irlandkrise.

Die Gefahr bestünde, dass unser Wirtschaftssystem ins Wanken gerät.

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Das unmittelbare Dilemma der Zentralbanken bei steigenden Preisen wird klar: Entweder folgt die EZB ihrem Mandat und bekämpft die Inflation. Dabei riskiert sie, dass das Wirtschaftssystem ins Wanken gerät. Oder sie akzeptiert eine höhere Inflationsraten. Da bereits sehr viel Geld im Umlauf ist, läuft die Inflation womöglich ganz aus dem Ruder.

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3 Gedanken zu „Das Dilemma der Zentralbanken“

  1. Was mir bislang noch niemand erklären konnte: Die EZB verfolgt seit vielen Jahren – jedenfalls gemäß ihrem offiziellen Wording – das Mantra, daß ihr extreme und ultra-lockere Geldpolitik (endlich) Wirtschaft, Wachstum und damit die Inflation auf das von der EZB gewünschte Maß bringen soll. Nur zu diesem Zweck – so die ständige Begründung für alle Maßnahmen (von Null- über Negativzinsen bis zum Quantitative Easing sprich Flutung der „Märkte“ mit frischen Billionen mittels Anleihekäufen) – sei diese „unkonventionelle“ Geldpolitik zwingend geboten. Wenn aber Menschen nun ein konkretes Vorsorgeziel (Stichwort: Die immer wichtiger werdende private Altersvorsorge !) haben, dann müssen diese ohne Zins und erst recht ohne den Zinses-Zins-Effekt immer mehr von ihrem Einkommen sparen, um das exakt gleiche Vorsorgeziel zu erreichen.

    Frage: Wie sollen – da man ja Geld bekanntlich nur einmal ausgeben kann – diese Menschen dann gleichzeitig auch noch mehr ausgeben und konsumieren sprich Wirtschaft und Wachstum ankurbeln, um das (angebliche) EZB-Ziel der gewünschten sprich höheren Inflationsrate zu erreichen ?

    Vor diesem Hintergrund drängt sich mir der Verdacht auf, daß es der EZB (zumindest auch) um etwas ganz anderes gehen könnte: Nämlich die Finanzierung von (einzelnen) Staaten inklusive ihrer Abschottung von den Märkten – was aber nach den Verträgen (Art. 123 AEUV „Verbot der monetären Staatsfinanzierung“) der EZB ausdrücklich untersagt ist …

    1. Tatsächlich könnte man den Eindruck gewinnen, die EZB tue alles, um ein System noch irgendwie am Laufen zu halten, das längst nicht mehr rundläuft: Dieses System benötigt ständiges Wachstum, und das bedeutet im Schuldgeldsystem mehr Schulden. Mittlerweile wird viel über staatliche Ausgaben finanziert, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, wenn die Privatwirtschaft nicht genug wächst.

      Es scheint, als sei es gar nicht gewünscht, dass der Bürger spart. Sonst hätten die Zentralbanken ja bereits die Zinsen angehoben. Oder anders ausgedrückt: Die Zentralbanker nehmen es in Kauf, dass Sparer bestraft werden.

      Es ist zu bezweifeln, ob dieses System auf Dauer funktioniert.

      Die meisten Politiker und Zentralbanker leiden nicht so stark unter der Inflation wie der Durchschnittsbürger, da ihre Gehälter an die Inflation angepasst werden.

      Und: Die Geschichte der Europäische Währungsunion ist eine einzige Serie von Vertragsbrüchen (es ging ja schon mit der Schuldenquote bei den Maastricht-Verträgen los). Richtig, Staatsfinanzierung ist eigentlich nicht erlaubt, doch genau das passiert.

      Zum Schuldgeldsystm finden Sie hier ein paar Erklärungen:

      https://www.die-volkswirtin.de/wie-entsteht-geld/

      Viele Grüsse,

      Sarah Braun

      1. Unstrittig erhöht ein Geld-System wie das unsere – das allermeiste Geld kommt nämlich sozusagen „durch Kredit auf die Welt“ (siehe Giralgeldschöpfung der Banken) – die Fragilität des Gesamtsystems. Dazu kommt (siehe Nixon-Schock im Jahre 1971) die fehlende „disziplinierende“ Wirkung einer Goldbindung – ein nur noch reines Papiergeldsystem (Fiat-Money) bietet gegenüber einem Goldstandard zwar diverse Vorteile, setzt aber eine solide, akkurate und seriöse Vorgehensweise von Staaten und Notenbanken voraus. Daran kann man berechtigte Zweifel haben, wenn man sich mit der Finanzgeschichte beschäftigt hat. Auch der Geldflutung durch eine Notenbank (via Anleihekäufe) sind damit praktisch keine Grenzen mehr gesetzt.

        Zu letzterem Punkt: Solange eine Notenbank dieses frische und aus dem Nichts geschaffene Geld nur gegen adäquate Zinsen und vor allen Dingen werthaltige Sicherheiten ausgibt, muß sich dies auf den Geldwert nicht zwingend negativ auswirken (sprich den Geldwert „verwässern“). Geschieht dies aber nicht gegen einen adäquaten Zins und auch mittels der Hereinnahme zweifelhafter Sicherheiten (in die EZB-Bilanz) dann kann dies für den Geldwert – auf lange Sicht jedenfalls – erhebliche Gefahren bergen. Zur Erinnerung: „Dank“ der Anleihekäufe der EZB zahlte ein Land wie Griechenland (!) teilweise niedrigerer Zinsen (!) als ein Land wie die USA (!) – und ob es sich bei griechischen Staatsanleihen wirklich um „Wert“Papiere handelt, die die EZB beim Ankauf in ihre Bilanz packt, darüber kann man auch trefflich streiten …

        Für mich als Bürger der Eurozone kommt nach meinem Dafürhalten ein weiteres noch deutlich schwerwiegenderes Problem hinzu: Die Europäische Einheitswährung. Im Jahre 1998, kurz vor Euroeinführung, recherchierte ich (nicht zuletzt wegen meiner damals schon aufgebauten privaten Altersvorsorge) intensiv zu diesem Thema. Conclusio nach summarischer Prüfung: Diese Einheitswährung hat massivste Konstruktionsfehler.

        So fand ich praktisch und generell keine Währungsunion souveräner Nationalstaaten in der Finanzgeschichte, die funktioniert und überlebt hatte (letzter großer gescheiterter Versuch war übrigens die sog. „Lateinische Münzunion“, die damals ein Weltgeld hervorbringen und etablieren sollte …). Neben den solchen Währungsunionen immanenten sprich systemischen Problemen (Moral Hazard, Tragik der Almende) spielt die Verschiedenheit der Teilnehmer die entscheidende Rolle. Eingedampft: Je heterogener die Teilnehmer, desto schneller kam stets das Ende solcher Währungsunionen. Mehr Heterogenität als in der Eurozone ist schlechterdings kaum vorstellbar. Angefangen vom historisch gewachsenen Geldverständnis (Hart- versus Weichwährungsmentalitäten) bis hin zu völlig unterschiedlichen harten Fakten wie Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität usw. Dazu fehlt es in der Eurozone auch schon an der Grundvoraussetzung für einen gemeinsamen Währungsraum: Die zwingend erforderliche Faktormobilität (s. Robert Mundell „Währungsräume“) scheitert beim so wichtigen Faktor „Arbeit“ in der Eurozone schon an den vielen unterschiedlichen Sprachen (Einheitswährung ohne Einheitssprache).

        Für Sparer und Anleger gerade in der Eurozone macht diese Melange aus einem Papiergeldsystem iVm einer fehlkonstruierten Einheitswährung das Ganze (Stichwort: Altersvorsorge – um nur ein Beispiel zu nennen) mehr als anspruchsvoll.

        Meine eigene Altersvorsorge hatte ich übrigens aufgrund meiner damaligen Recherche (schweren Herzens) bereits im folgenden Jahr 1999 begonnen komplett umzubauen. In der Retrospektive kann ich für diesen Akt – eine Art der „finanziellen Notwehr“ – heute nur dankbar sein.

        Schließlich ist nämlich von dem, was damals den Bürgern hierzulande für die Aufgabe der Deutschen Mark gegen den Euro versprochen wurde, im Hier und Jetzt praktisch Nichts übrig geblieben: Man denke an den Vertrag von Maastricht, die „Maastricht-Kriterien“, die „No-Bail-Out-Klausel“ des Art. 125 AUEV, das „Verbot der monetären Staatsfinanzierung“ des Art. 123 AEUV etc. Von dem Umgang bzw. Mißbrauch bei ELA, ANFA und Target2-Salden ganz zu schweigen …

        Beste Grüße

        Bernd F. Schuck

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