Bedingungsloses Grundeinkommen: Eine gute Idee?

Grundeinkommen

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens wird kontrovers diskutiert. In diesem Artikel beleuchte ich viele (und bei Weitem nicht alle) Aspekte dieses Themas. Dabei stelle ich die »Bedinungslosigkeit« in Frage, komme jedoch zu dem Schluss, dass das Grundeinkommen unter bestimmten Bedingungen ein interessantes Modell für unsere Gesellschaft sein könnte. Es lohnt sich in jedem Fall, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Das bedingungslose Grundeinkommen - Eine gute Idee?

Definition: bedingungsloses Grundeinkommen

Die Definition des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ist einfach: Allen Bürgern eines Landes wird ein fester monatlicher Betrag ausbezahlt. Die Zahlung ist nicht an Bedingungen oder Gegenleistungen geknüpft.

Da ich im folgenden Artikel auch die »Bedingungslosigkeit« thematisiere und hinterfrage, nutze ich den Begriff des Grundeinkommens.

Argumente dafür

Befürworter des Grundeinkommens argumentieren unter anderem mit einer Entbürokratisierung und sozialen Absicherung für alle Bürger. Ein Grundeinkommen würde für mehr Gerechtigkeit sorgen.

Die Bürger eines Landes würden durch die finanzielle Absicherung an Freiheit und Sicherheit gewinnen, auch mit positiver Auswirkung auf Arbeitswelt und Gesellschaft.

Menschen mit einem Grundeinkommen würden zudem nicht weniger, sondern motivierter und produktiver arbeiten.

Argumente dagegen

Das Hauptargument der Kritiker ist naheliegend: Wer soll das bezahlen? Monatlich Geld an jeden Bürger auszuzahlen ist teuer. Jedoch geht es bei der Finanzierung des Grundeinkommens auch um Verteilungsfragen, wie bei allen Ausgaben (weiter unten in diesem Artikel werde ich das Thema nochmals behandeln).

Zudem wird von Kritikern die Frage aufgeworfen, ob es gerecht ist bzw. die richtigen Anreize schafft zu arbeiten, wenn jeder Bürger bedingungslos Geld vom Staat bekommt.

Die Frage nach der Höhe

Die Höhe des Grundeinkommens soll nicht Schwerpunkt dieses Artikels sein. Insbesondere in Zeiten steigender Inflation müsste eine Summe eventuell immer wieder angepasst werden. Daher will ich an dieser Stelle keine konkrete Zahl nennen. Ich finde es interessant, über ein Grundeinkommen zu diskutieren, von dem ein sehr bescheidener, sparsamer und genügsamer Mensch leben könnte. Jemand, der minimalistisch oder frugalistisch lebt.

Für wen gibt es das Grundeinkommen?

Es mag sinnvoll sein, den Bezug des Grundeinkommens zu beschränken, denn es besteht die Gefahr, falsche Anreize zu schaffen.

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So könnte es besser sein, Grundkeinkommen erst ab dem 18. Lebensjahr auszuzahlen, damit Eltern keine Kinder in die Welt setzen, um Grundeinkommen für diese zu erhalten, das sie für sich selbst nutzen.

Es stellt sich auch die Frage, wie Einwanderer behandelt würden. Es wäre sicher nicht sinnvoll, an jeden in Deutschland lebenden Einwanderer das Grundeinkommen direkt zu bezahlen. Denkbar wäre ein Grundeinkommen nach 10 oder 20 Jahren Aufenthaltsdauer.

Ebenso sollte man überlegen, ob man das Grundeinkommen an nicht in Deutschland lebende Deutsche auszahlt. Tut man dies bedingungslos, bestünde der Anreiz, in einem anderen Land mit geringeren Lebenshaltungskosten auszuwandern und dort vom Grundeinkommen besser zu leben.

Ist das gerecht?

Ist es gerecht, einfach so, ohne Gegenleistung, ein Einkommen zu erhalten? Sollte man das Grundeinkommen auch an reiche Bürger auszahlen?

Alles gute Fragen.

Fakt ist: Das Vermögen in unserer Gesellschaft ist immer ungleicher verteilt. Wer erbt, hat ausgesorgt. Wer nichts erbt, kann sich in der aktuellen Situation oft nicht im entferntesten Eigentum leisten. Diese Situation spitzt sich zu.

Erhalten alle Bürger eines Landes ein Grundeinkommen, gibt es theoretisch niemanden, der Not leiden muss. Ein gewisser Mindeststandard für alle ist garantiert. Das könnte gerechter sein als das aktuelle System.

Ein Grundeinkommen wäre menschlicher. Auch wenn ich selbst nie Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld beantragt habe, habe ich mir sagen lassen, dass sich das für Bedürftige erniedrigend anfühlen kann. Mir hat die Erfahrung gereicht, während der Corona-Lockdowns, in denen mein Unternehmen schließen musste, Hilfen vom Staat zu beantragen. Durch die Art, wie Schreiben von Behörden formuliert sind und Prozesse laufen, habe mich mehr wie ein Verbrecher gefühlt und nicht als Unternehmer. Dies würde durch ein Grundeinkommen umgangen.

Grundeinkommen gegen Engagement?

Der SWR1-Leute-Podcast mit Richard David Precht aus dem Jahr 2020 ist mir in Erinnerung geblieben. Dort stellt der Fernsehphilosoph sein Grundeinkommensmodell vor.

Precht schlägt eine Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung des Grundeinkommens vor. Zudem plädiert er dafür, dass man bis zu 1.000 Euro steuerfrei dazuverdienen können soll. Und: Precht spricht sich für zwei soziale Pflichtjahre aus. Eines im jungen Alter zwischen Schule und Berufsleben. Und eines am Ende des Berufslebens, bevor die Rente beginnt. (Anmerkung: Es geht nicht darum, die Menschen zum sozialen Engagement zu zwingen. Es gab früher auch Wege, sich vom Einzug durch die Bundeswehr zu befreien).

Ab Minute 17 kann man Prechts Vorschläge im folgenden Video anhören:

Wie wird das Grundeinkommen finanziert?

Die Kosten hängen von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere der Höhe des Grundeinkommens.

Ein oft genanntes Argument für das Grundeinkommen ist, dass es viele Sozialleistungen (Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Rente …) ersetzen würde und man so sehr viel bürokratischen Aufwand und Kosten sparen könnte. Meiner Meinung nach ein wichtiges Argument in einem Staat, in dem Überbürokratisierung und Überregulierung Initiativen und unternehmerische Tätigkeiten zu ersticken droht.

Der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums kommt in seinem jüngsten Gutachten jedoch zu dem Schluss: Ein Grundeinkommen ist nicht finanzierbar: »Die Finanzierungsprobleme sprechen aus Sicht des Beirats eindeutig gegen die Einführung eines BGE.« Hier kann man das Gutachten nachlesen.

Thomas Straubhaar, Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Hamburg, widerspricht dem wissenschaftlichen Beirat. In einem Gastbeitrag in der Wirtschaftswoche erläutert er seine Position. Für ihn mangelt es vor allem an politischem Willen. Straubhaar schlägt unter anderem eine höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen vor, ähnlich wie Precht, der sich für eine Finanztransaktionssteuer ausspricht. Dies sind meiner Meinung nach äußerst sinnvolle Ansätze.

Zudem könnte man über höhere Erbschaftssteuern sprechen.

Ein Punkt zur Finanzierung sei noch angemerkt: Die weltweite Verschuldung steigt stetig, auch die Europas und die Deutschlands. Meiner Meinung nach ist das nicht nachhaltig, und ich glaube nicht, dass wir in Deutschland jemals zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt zurückkehren werden. Zudem hat Deutschland im Rahmen der europäischen (Währungs-)Union kollektiv Schulden am Kapitalmarkt aufgenommen. Und es werden immer mehr. Warum soll Deutschland in Anbetracht dieser hohen europäischen Schulden sparen? Es gibt keinen Grund. Anstatt dass Deutschland mehr spart als andere Länder und dann dafür bestraft wird, weil es für andere Länder zahlen muss, sollte Deutschland sich lieber selbst weiter verschulden. Die Hintergründe habe ich in diesem Artikel dargelegt. Ein Grundeinkommen für Bürger wäre nicht der schlechteste Versuch, der gesamten Bevölkerung Geld zukommen zu lassen. Dieses Argument gilt wohlgemerkt für die aktuelle Situation und wäre in einem anderen System hinfällig.

Kann es funktionieren?

Ob das Modell des Grundeinkommens funktioniert, hängt davon ab, welches Menschenbild man zugrunde legt.

Wird sich der Großteil der Bevölkerung auf die faule Haut legen und nichts tun?

Oder könnte die durch das Grundeinkommen gewonnene Sicherheit und Freiheit manche Menschen dazu animieren, schöpferisch tätig zu werden, schöne Dinge zu schaffen oder sich sozial zu engagieren? Oder gar selbst Angehörige zu pflegen und die Pflegesituation so verbessern?

Oder lassen sich Menschen, die ein Grundeinkommen erhalten, sogar leichter manipulieren? Eine These in dieser Art stellt Romanautor Andreas Eschbach auf (siehe Buchtipp weiter unten).

Hierzulande forscht man zum Grundeinkommen. Es gibt Fallstudien, in denen manchen Bürgern für ein Jahr ein Grundeinkommen ausgezahlt wird. Jedoch ist die Aussagekraft begrenzt, da sich diese Bürger darüber bewusst sind, dass sie das Grundeinkommen nur für eine begrenzte Zeit erhalten und sich dementsprechend vielleicht anders verhalten als mit der Perspektive, das Einkommen lebenslänglich zu erhalten.

Der Romantipp zum Thema: Freiheitsgeld von Andreas Eschbach

Der neueste Thriller von Andreas Eschbach (erschienen im August 2022 bei Lübbe) mit dem Titel »Freiheitsgeld« handelt vom Grundeinkommen. Das Buch liest sich in Eschbach-Manier spannend und flüssig. Zudem findet man dort viele Gedanken und Argumente und Argumentationsketten zum Thema Grundeinkommen. In Eschbachs Thriller spielt die Arbeitswelt in der Zukunft eine Rolle. Und die Frage: Wie weit geht die Automatisierung? Ist sie gar die Voraussetzung für ein Grundeinkommen? Wird es überhaupt Arbeit für alle geben?

Die Lektüre des »Freiheitsgeldes« ist eine ideale Basis, um selbst nachzudenken und sich eine Meinung zu bilden.

Freiheitsgeld von Andreas Eschbach: In dem Roman geht's ums Grundeinkommen

Warum die Idee durchaus sinnvoll sein könnte

Ich finde die Idee des Grundeinkommens spannend. Wie aus dem Artikel hervorgeht, finde ich das Wort »bedingungslos« jedoch problematisch, weil schnell grobe Fehlanreize geschaffen werden. Daher würde ich für ein Grundeinkommen mit ein paar Bedingungen plädieren. Und mit dem Anreiz bzw. der Aufforderung an die Bürger (nicht: der Pflicht), sich für das Land zu engagieren. Nach dem Motto: Der Staat tut etwas (Gewaltiges) für dich, also überlege dir auch, die durch das Grundeinkommen gewonnene Zeit zu nutzen und etwas zurückzugeben.

Generell zeige ich mich offen für neue Ideen, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft neu zu gestalten. Aus dem einfachen Grund, dass ich nicht mehr an unser Finanz- und Wirtschaftssystem glaube und daher über Alternativen nachdenke. Auch aus diesem Grund finde ich den Vorschlag von Ulrike Herrmann, den sie in ihrem Buch »Das Ende des Kapitalismus« darlegt, diskussionswürdig. Ausgerechnet die britische Kriegswirtschaft als Vorbild? Warum, das kann man in der Buchrezension nachlesen.

Das jetzige System sorgt für immer mehr Ungleichheit in der Gesellschaft. Es ist nicht nachhaltig, und ich glaube, dass das System eines Tages zusammenbrechen wird. Probieren wir daher neue Vorschläge aus! Auch wenn es nicht funktioniert, das jetzige System ist kein »running system.« Let’s change ist. Eventuell mit einem Grundeinkommen.

In einem Staat mit nachhaltigem Finanzhaushalt und liberaleren Ansätzen (siehe Entwicklung unserer Staatsquote) sähe meine Meinung unter Umständen anders aus.

Wie stehen Sie zum Grundeinkommen? Ich freue mich über weitere Argumente und neue Sichtweisen. Schreiben Sie gerne einen Kommentar.

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2 Gedanken zu „Bedingungsloses Grundeinkommen: Eine gute Idee?“

  1. Zur weltweiten Verschuldung
    Einmal generierte Schulden bleiben für immer bestehen.
    Gäbe es keine Schulden mehr gibt es auch kein Guthaben.

    Natürlich könnte Deutschland schuldenfrei werden indem andere Länder sich noch höher verschulden.
    Gruß Simon

  2. Tatsächlich habe ich erst das Buch von Herrn Eschbach gelesen und bin dann auf diesen Artikel gestoßen.

    Das Buch regt sehr zum Denken an. Eigentlich war ich ein Fan vom Bedingungslosen Grundeinkommen. Aber mittlerweile kommen dann doch Zweifel auf.

    Ich fänd es gut, wenn Gehälter angepasst werden würden. Die Schere zwischen Arm und Reich hast du in dem Artikel ja auch erwähnt. Die Schere bei den Gehältern könnte man auch mal überdenken. Pflegeberufe sind wohl das klassische Beispiel. So rein theoretisch fänd ich den Job des Postboten ziemlich cool. Ich fahre gerne Rad, ich bin gerne draußen. Regen ist mir so lieb, wie Sonne oder Schnee. Aber das Gehalt ist es nicht wert. Gleichzeitig muss man sich doch fragen, ob Top-Manager oder auch nur ‚einfache‘ Führungspositionen so viel mehr Geld verdienen sollten. Man muss ja nicht mal in die Führungsetage gehen. IT-ler verdienen auch viel. Ein guter Freund ist Systemadministrator. Das ist keine Zauberei bzw. genau so eine Zauberei wie der Friseur um die Ecke der mein Haar jedes Mal aufs Neue in Form bringt. Warum diese großen Gehaltsunterschiede?

    Mindestlohn anheben und ein Maximalgehalt einführen?

    Ich hätte nach der Schule gern eine handwerkliche Ausbildung gemacht. Aber es hieß ‚Nein, du musst studieren, damit du Geld verdienst.‘ Unabhängig davon, dass es Handwerkern finanziell gerade wohl nicht zu schlecht geht, war das Geld wieder der Motivator oder das gedankliche Druckmittel, diesen oder jenen Job zu wählen.

    Wenn alle Jobs mehr oder weniger ähnliche Gehälter bringen, wäre das nicht was? Gerade leben wir in einer Welt der Extreme. Das muss doch anders gehen.

    Mit Fußballern fange ich mal gar nicht an. Aber auch so ein GZSZ-Star bekommt bis zu 4-stellig pro Folge? Markus Lanz bekommt 15.000 Euro pro Sendung und am Ende hat man doch nur ein Kindergarten alter Menschen zugeschaut, bei denen keiner dem anderen zuhört.

    Gleichzeitig bekommt die gute Frau Daubner irgendwas zwischen 200 und 300 Euro pro Nachrichten. Das scheint dann etwas wenig zu sein.

    Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Vielleicht lieber gleicher Lohn für ungleiche Arbeit.

    So oder so ähnlich.

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