Am vergangenen Montag (01.11.2021) lief im ZDF um 20.15 Uhr die 45-minütige Dokumentation mit dem Titel »Die Wahrheit übers Erben – warum Reiche immer reicher werden«.
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»Die Wahrheit übers Erben« zeigt einmal mehr, wie ungleich Vermögen in Deutschland verteilt sind. Dabei geht es insbesondere um das Erbschaftssteuersystem, dass diese Entwicklung immer weiter vorantreibt. Die Doku konnte man sich bis zum 11. November 2022 über die ZDF-Mediathek ansehen, jetzt ist sie auf Youtube verfügbar:
Wie ticken reiche Erben? Und womit kämpfen die, die nichts erben?
Wie ticken reiche Erben? Und womit kämpfen die, die nichts erben? Das bewegt Mitproduzent Louis Klamroth. Der Journalist, Moderator und Schauspieler trifft exemplarisch einen reichen Erben und eine Nicht-Erbin und diskutiert mit ihnen über Chancengleichheit.
Uwe Ochsenknecht als Erklärer
Los geht es jedoch mit einer anderen Szene: Uwe Ochsenknecht spaziert im Anzug durch einen herrschaftlichen Saal und klärt darüber auf, wie ungleich Vermögen hierzulande verteilt ist. Und das vor einer locker-leichten Hintergrundmelodie. »5% der Menschen haben so viel wie alle anderen zusammen«. Während der Doku gibt es weitere »Erklärerszenen«, in denen Herr Ochsenknecht mitteilt, was es heißt mit warmer Hand zu vererben oder über die Möglichkeiten Steuergestaltung (Steuervermeidung) beim Vererben spricht.
Der Erbe
Die Superreichen scheinen in einer anderen Welt zu leben, so der erste Eindruck wenn sich Louis Klamroth mit Julian trifft. Hier geht es zum Instagram-Profil des zukünftigen Millionenerben. Der Sohn des Touristik- und Medienunternehmers Karlheinz Kögel wirkt während der Gespräche nicht besonders sympathisch. Das bestätigt sich in der Schlussszene. Auf die Frage, ob Julian Kögel sich Gedanken mache über das Ungleichgewicht zwischen denen, die erben und denen, die nichts erben, antwortet er: »Ich hab momentan echt andere Issues, ne.«
Die Nicht-Erbin
Die Nicht-Erbin ist eine Frau im gleichen Alter wie Julian und Louis, und gehört auch statistisch zu der Riege der Ärmeren: Mai-An ist weiblich, mit Migrationshintergrund und kommt aus Ostdeutschland. Sie sucht für ihre junge Familie dringend eine Wohnung. Ein Ding der Unmöglichkeit, sowohl Miete als auch Kauf. Von einem Immobilienmakler erfahren wir, dass die meisten jungen Menschen, die sich eine Wohnung in Berlin kaufen, eine Finanzspritze durch die Eltern erhalten. Die anderen haben Pech.
Ein Taxifahrer und eine Verkäuferin kommen ebenfalls zu Wort. Die Höhe ihrer Gehälter scheint lächerlich. Ihr Unmut berechtigt.
Ein anderer Erbe
Schließlich trifft sich Louis Klamroth noch mit Antonis Schwarz. Antonis wird ebenfalls sehr viel Geld erben, gehört jedoch zu denen, die das nicht fair finden . Er ist Mitglied bei der Initiative taxmenow. Taxmenow – ein Begriff, den die Leser der Volkswirtin kennen: Aus dem Interview mit dem Unternehmer und Selfmade-Millionär Ralph Suikat, der sich ebenfalls bei der Initiative engagiert. Zusammen mit ca. 50 anderen Millionären (Stand: November 2021) fordern Antonis Schwarz und Ralph Suikat eine höhere Besteuerung der Vermögenden. Lesen Sie im ausführlichen Interview, was Ralph Suikat dazu bewegt und wie er sich ein besseres und gerechteres Deutschland vorstellt. Nicht nur wegen seiner Einstellung, auch wegen seiner Art kommt Antonis in der kurzen Filmsequenz sehr bodenständig daher. Auch wenn 50 Millionäre, die höhere Steuern fordern, eine Minderheit sind: Es tut gut und macht Mut, dass es solche Menschen gibt.
Kein Wort zur Geldpolitik
Einziges Manko der ZDF-Doku ist, dass in keinem Wort auf die Geldpolitik eingegangen wird. Wie die Politik durch die erfolgreiche Lobby der Familienunternehmer das Steuersystem in deren Interesse umgestaltet hat, wird treffend aufgezeigt. Jedoch nicht, dass die lockere Geldpolitik der letzten Jahre die Vermögens- und Immobilienpreise nach oben schnellen lassen hat – wovon die bereits Vermögenden enorm profitiert haben. Und andererseits, dass die derzeit hohen Inflationsraten von fast 5% vor allem die treffen, die sowieso schon wenig Geld haben.
Fazit
Am Anfang der Doku werden Drohnenbilder von Villen in Hamburg gezeigt. Dann die Frage: Aber wer wird so reich in Deutschland [dass er sich das leisten kann]? Die Schlauesten? Die, die am härtesten Arbeiten? Vielleicht. Aber ganz sicher reich werden die mit den reichsten Eltern.
So ist es. Man kann sich in diesem Land hocharbeiten, auch wenn man keine rechen Eltern hat. Diese Fälle sind jedoch äußerst selten. Und es wird klar: Es ist alles so viel bequemer, wenn die Eltern schon Geld haben.
Wie die hier unlängst empfohlene Dokumentation »Ungleichland« zeigt auch »Die Wahrheit übers Erben« die ungleiche Vermögensverteilung und die zunehmende Spaltung hierzulande auf. Während es in »Ungleichland« mehr um die Finanzbranche allgemein geht, konzentriert sich letztere auf das Erben.
»Die Wahrheit übers Erben« ist gut gemacht und kurzweilig. Und somit sehenswert, auch wenn sie Missstände aufzeigt, die den meisten bereits bekannt sind. Sie hinterlässt sicher nicht nur in meinem Fall einen über die Ungerechtigkeit wütenden, sich machtlos fühlenden Zuschauer.