Kritisiere ich den Kapitalismus, wie er in diesem Lande und heutzutage ausgestaltet ist, höre ich öfter die Antwort: »Sozialismus ist ja auch keine Alternative.«
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Nein, definitiv nicht, das sehe ich auch so. Ich frage mich vielmehr: Haben wir denn wirklich ein kapitalistisches System? Ist es nicht viel mehr schon ein Mix aus Kapitalismus und Sozialismus – und zwar so ausgestaltet, dass die Ungleichheit stetig ansteigt?
Ich würde mir wünschen, in einem Land zu leben, in dem Eigenverantwortung und Initiative gefördert wird (siehe Artikel: Die richtigen Anreize schaffen).
Viel mehr stelle ich mir die Frage: Inwiefern sind wir in sozialistischen Strukturen angekommen? Und zwar an ganz gefährlichen Stellen. Wie unter anderem bei den Banken.
Die Finanzkrise 2007/2008
Die Finanzkrise 2007/2008 ist das Paradebeispiel, bei dem der Staat eingesprungen für einen äußerst fragwürdigen Zweck eingesprungen ist. Im Zuge dieser Krise sind Banken und Finanzinstitutionen in Schwierigkeiten geraten, die in den Jahren davor riesige Gewinne eingefahren haben und sich regelrecht verzockt haben. Und was tut der Staat? Er rettet die Banken. Sie seien systemrelevant, heißt es. Der Autor Andreas Brandhorst hat es jüngst in einem Interview ausgeführt: »Die Finanzkrise vor 15 Jahren kostete jede deutsche Familie mehr als 3000,- Euro an Steuergeldern.«
In der Tat. Deutsche Steuerzahler soll die Finanzkrise 59 Milliarden Euro gekostet haben, wie u.a. die Wirtschaftswoche im Jahr 2018 berichtete.
Bankensozialismus?
Das Schlagwort Bankensozialismus mag populistisch klingen.
Doch es mag auch angebracht sein. Denn die riesige Summe an Steuergeldern, die die Banken während der Finanzkrise umgehend erhielten, wurde nie zurückgefordert. Umso absurder klingt es, wenn der deutsche Staat nun Soforthilfen, die während der Corona-Krise an kleine Unternehmen ausgezahlt wurden, teilweise oder ganz zurückfordert (siehe Tagesschau-Bericht). Dass er überhaupt so viel in die Prüfung und Rückforderungen der Hilfen steckt, ist nicht nachvollziehbar. Es geht schließlich um maximal 9.000 Euro pro Betrieb. Und kleine Betriebe haben sich nicht selbstverschuldet verzockt, sondern wurden durch die Corona-Maßnahmen belastet.
Auf blätter.de kann man einen Artikel mit der Überschrift »Europäischer Bankensozialismus« von Wieslaw Jurczenko lesen. Der Artikel ist 10 Jahre alt, damals fragte man sich schon: Das Spiel der Banken geht nach der Finanzkrise ungebremst bzw. unreguliert weiter. Wie lange geht das noch gut? Erstaunlicherweise ging es bis heute gut. Die Frage bleibt: Wie lange noch.
Steigender Einfluss des Staates
In einem vorherigen Artikel habe ich die Entwicklung der Staatsquote in Deutschland analysiert. Fazit: Sie ist in den letzten Jahrzehnten sowie in den letzten Jahren tendenziell gestiegen. Der Staat greift immer mehr ein, macht Vorgaben und Verbote. Dies ist schade, weil dadurch private Initiativen, Unternehmertum und nicht zuletzt – wie oben genannt – genannt die Eigenverantwortung der Bürger untermauert werden. Staatliche Eingriffe sind oft nicht effizient, und ziehen eine Reihe weiterer Maßnahmen nach sich. Auch aktuelle Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung wie das 9-Euro-Ticket oder die Tankrabatte klingen eher nach Reaktionen, um die Bevölkerung kurzfristig ruhig zu stellen und Strohfeuer zu löschen, als nach nachhaltigen Lösungen.
Zusammenfassung
Es lässt sich ein immer stärkeres Eingreifen des Staates feststellen. In letzter Zeit gerechtfertigt durch Corona und dann den Krieg. Bürokratie nimmt zu, Eigeninitiative scheint unerwünscht und nimmt ab.
Meiner Meinung nach kann man durchaus von einem Bankensozialismus sprechen. Das ist gesellschaftlich eine fatale Entwicklung, da die Finanzbranche von staatlichen Hilfen profitiert hat, und nun weiter wirtschaftet wie zuvor, ohne einen Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen. Während wichtige Arbeit meist schlecht vergütet ist.
Dies sollte man berücksichtigen, wenn man von unserem »kapitalistischen System« spricht. Ich sehe einen merkwürdigen Mix aus (vordergründigem) Kapitalismus und immer mehr (eigentlich) sozialistischen Entwicklungen.
Davon profitieren oft die bereits Vermögenden, denn sie können argumentieren, dass sie ihren Reichtum in einem kapitalistischen System selbst erarbeitet haben. Dies mag in manchen Berufsgruppen zutreffen, aber nicht im Fall der Bankers. Oder des Erben. Der Staat hilft den beiden letzteren Gruppen, ihre Interessen zu vertreten. Und sorgt so durch sein Eingreifen für immer mehr Ungleichheit.