Als in der Buchhandlung mein Blick auf das Cover von »Das Bitcoin-Komplott« fiel, hatte ich das Buch von Andreas Brandhorst umgehend in der Hand. Als ich den Klappentext gelesen hatte, war es praktisch gekauft. Daraufhin hatte ich den 600-Seiten-Thriller sehr schnell durchgelesen.
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Mit diesem Autor wollte ich unbedingt ein Gespräch für »Die Volkswirtin« führen.
Ich freue mich sehr, dass mir Andreas Brandhorst ein ausführliches Interview gegeben hat, in dem er über unser Wirtschaftssystem und das Potenzial von Bitcoin spricht.
Über Andreas Brandhorst
Andreas Brandhorst, Jahrgang 1956, ist vor allem für seine Thriller und Science-Fiction-Romane bekannt. Für seine Bücher erhielt er mehrere Auszeichnungen. Als Übersetzer hat er zudem die meisten Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchett ins Deutsche übertragen hat
Andreas Brandhorst lebte viele Jahre in Italien, wo er auch als Übersetzer von Romanen aus dem Englischen und Italienischen ins Deutsche tätig war. Mittlerweile lebt Andreas Brandhorst wieder in seiner Heimat in Norddeutschland.
Im März 2022 erschien sein Thriller »Das Bitcoin-Komplott« im Fischer Verlag.
Lesen Sie im Folgenden das Interview mit Andreas Brandhorst, dass genauso spannend ist wie seine Bücher.
Interview mit Andreas Brandhorst
Herr Brandhorst, In einem Interview sagen Sie, dass Sie 2019 begannen, sich eingehender mit der Geschichte des Geldes, mit Wirtschaftszyklen und in diesem Zuge auch mit Bitcoin zu beschäftigten. Gab es hierfür einen bestimmten Auslöser?
Andreas Brandhorst: Der Gedanke, Bitcoin für einen Roman zu verwenden, ist noch etwas älter und stammt aus den Jahren 2015 und 2016, während der Recherchen zu meinem Thriller über Künstliche Intelligenz »Das Erwachen«. Dabei wurde mir nach und nach klar, dass Bitcoin und Kryptowährungen Teil der digitalen Revolution sind, die unser aller Leben verändert. Nach der Arbeit an »Das Erwachen« und »Die Eskalation« begann ich, mich mit der Geschichte des Geldes im Allgemeinen und Bitcoin im Besonderen zu befassen, und da wurde schnell klar: Hier ist mehr als genug Stoff für einen eigenständigen Roman.
Sie haben mir bereits verraten, dass Sie der Finanzbranche kritisch gegenüberstehen. Was war der Auslöser? Die Recherchen zum »Bitcoin-Komplott«, zu einem anderen Thriller oder etwas anderes?
Andreas Brandhorst: Auslöser war der Beginn der großen Finanzkrise 2007, die 2008 nach dem Kollaps der amerikanischen Großbank Lehman Brothers katastrophale Ausmaße gewann. Mir wurde klar, wie sehr in den Banken gezockt wird und wie sehr sich die »Finanzprodukte« der Zockerbanden von der Realwirtschaft entfernt haben. Und immer nach dem Motto: Gewinne privatisieren, Schulden sozialisieren. Die Finanzkrise vor 15 Jahren kostete jede deutsche Familie mehr als 3000,- Euro an Steuergeldern. Und hat man daraus gelernt? Nein, es wird fröhlich weitergezockt. Ich bin um 2011 herum (da lebte ich noch in Italien) auf den Bitcoin als unabhängige Alternative zu Fiatwährungen aufmerksam geworden und dachte mir: Digitales Geld, dezentral, von keiner Instanz kontrolliert – das ist ja interessant. Ich spielte sogar mit dem Gedanken, mir einige Hundert BTC zuzulegen, aber dann rückten andere Dinge in den Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit, und die Idee geriet in Vergessenheit. Ach, hätte ich mich damals doch zu einem Kauf entschlossen! 😉
Bei den Recherchen zu »Das Bitcoin-Komplott« vertiefte sich dann meine Skepsis gegenüber der Finanzbranche und der Wirtschaftspolitik von Staaten. Mir wurde immer mehr bewusst, dass unser Wirtschaftssystem auf tönernen Füßen steht und dass es jederzeit zu einem großen Crash wie in meinem Roman kommen kann.
Ihr Roman »Das Bitcoin-Komplott« spielt ein paar Jahre in der Zukunft. Die Welt ist geprägt von einer Wirtschaftskrise und einer heftigen Inflation. Für mich liest sich das wie eine realistische Prognose. Lediglich der Plot Ihres Thrillers scheint mir logischerweise fiktional. Ist dieses Rahmenszenario der Weltwirtschaft auch Ihre Zukunftsprognose, oder haben Sie sich einfach als Romanautor ausgetobt?
Andreas Brandhorst: Der große Rahmen der Geschichte ist durchaus real. Durch die Corona-Pandemie und jetzt auch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine steuern wir noch schneller auf die große Krise zu, wie sie in »Das Bitcoin-Komplott« geschildert wird. Es wurden und werden von Staaten gewaltige Schulden gemacht, so viele, dass sie unmöglich alle zurückgezahlt werden können. Wir erleben den Beginn einer großen Inflation, die die Bürger enteignet. Der Mittelschicht droht der Absturz, Immobilienblasen werden platzen. Und die Zocker in den Banken treiben ihr Spiel fröhlich weiter. Die Trennung von Staat und Geld ist dringender als jemals zuvor.
Während Ihrer Recherchen für »Das Bitcoin-Komplott« konnten Sie interessante Blicke hinter die Kulissen von Politik und Wirtschaft werfen. Können Sie etwas detaillierter über Ihre Recherchen berichten? Haben Sie sich mit Insidern unterhalten? Wie sind Sie an die Kontakte gekommen? Haben Ihnen diese Personen bereitwillig aus Ihrem Alltag erzählt?
Andreas Brandhorst: Bei den Recherchen zu meinen KI-Thrillern »Das Erwachen« und »Die Eskalation« hatte ich mir bereits ein Netzwerk aus Kontakten im digitalen Bereich aufgebaut, und das half mir bei den Vorbereitungen auf »Das Bitcoin-Komplott«. Es erleichterte mir die Kontaktaufnahme mit Insidern wie Tradern, Bankern und Maklern, die mir interessante Blicke hinter die Kulissen ermöglichten. Hinzu kamen mehrere Kontakte im wirtschaftspolitischen Bereich, sowohl auf nationaler Ebene als auch bei der EU-Kommission. Nicht immer wurden alle meine Fragen beantwortet, aber ich bekam genug Mosaiksteine für ein großes, detailliertes Bild, das ich in »Das Bitcoin-Komplott« verarbeitet habe. Außerdem begann ich 2019 mit eigenen Investitionen in Bitcoin, um zu sehen, wie alles funktioniert. Der Roman spiegelt also auch meine persönlichen Erfahrungen wider.
Wie würden Sie die Bitcoin-Szene beschreiben? In den Medien werden die Beteiligten oft als Verbrecher, Zocker oder Umweltsünder dargestellt.
Andreas Brandhorst: Das ist die übliche Stimmungsmache gegen Bitcoin. Verbrecher nutzen vor allem den US-Dollar, die Zocker sitzen in den Banken, und wer nach Umweltsündern sucht, sollte vor allem bei der petrolchemischen Industrie und den Energiekonzernen suchen. Für das Bitcoin-Mining werden bereits über 60 Prozent erneuerbare Energien verwendet, und unsere alljährliche Weihnachtsbeleuchtung verbraucht mehr Strom als das Mining. Die »Bitcoin-Szene«, wenn man sie so nennen kann, ist längst erwachsen geworden und besteht nicht mehr aus den Nerds der ersten Tage. Ich habe viele hochintelligente Menschen kennengelernt, die das Potenzial von Bitcoin erkannt haben und sich dafür einsetzen. Andere nicht minder intelligente Menschen nutzen BTC als neues Asset, um ihr Geld anzulegen und vor Inflation zu schützen.
Ich vergleiche die »Bitcoin-Szene« gern mit der Anfangszeit von Google, Amazon und Apple. Etwas Neues begann, etwas, das die Welt verändern würde. Und wer damals Aktien von Google, Amazon und Apple kaufte, ist heute gut dran. 😉
In Ihrem Thriller versucht eine kleine Gruppe von Personen, die Macht über Bitcoin zu erlangen. In der Grundidee soll es sich bei Bitcoin um dezentrales Geld handeln, was das Konzept so spannend macht. Wir konnten in den vergangenen Jahren bereits mehrfach erleben, dass einzelne Personen wie beispielsweise Elon Musk allein durch bestimmte Aussagen oder Tweets den Bitcoin-Kurs massiv beeinflussen. Sehen Sie auch in der Realität eine Gefahr für den Bitcoin, dass Einzelpersonen den Markt dominieren?
Andreas Brandhorst: Elon Musks berühmt-berüchtigte Tweets haben nicht nur den Bitcoin-Kurs beeinflusst, sondern auch den Kurs von Aktien. Einmal hat ein Tweet von ihm die eigenen Tesla-Aktien abstürzen lassen, und die Aktionäre waren verständlicherweise »not amused«. Es zeigt, was Einfluss in den Social Media bedeutet. Zurück zum Bitcoin. Je mehr die Adaptation von BTC wächst, je größer seine Verbreitung als Asset, Wertanlage und sogar alternative Währung wird, desto mehr schrumpft der Einfluss einzelner Personen.
Kürzlich (31. März 2022) hat das EU-Parlament mehrheitlich dafür abgestimmt, sogenannte »unhosted«, also private Wallets künftig stärker zu kontrollieren bzw. zu verbieten. Damit würde den Haltern von Kryptowährungen die Autonomie entzogen, ihr digitales Geld selbstständig und selbstverantwortlich aufzubewahren. Sehen Sie hierin eine Gefahr für die Bitcoin-Nutzung in Europa?
Andreas Brandhorst: Die Abstimmung ist noch nicht »rechtswirksam« und eigentlich kaum mehr als ein Vorschlag, der noch mehrere Instanzen in der EU-Bürokratie vor sich hat. Es besteht also noch die Chance zur Einsicht. Sollte es tatsächlich zu einer entsprechenden Regelung kommen, wäre das sehr bedauerlich und eine weitere Barriere für digitale Innovation in Europa. Es wäre aber nicht das Aus für Bitcoin. Die Schweiz und Großbritannien gehören nicht zur EU und entwickeln sich immer mehr zu Zentren für Kryptowährungen. Und wie sollte ein Verbot von privaten Wallets überhaupt möglich sein? Wie will man das kontrollieren und durchsetzen? Es ist alles vollkommen unausgegoren. Bitcoin ist kein physisches Gut, das man beschlagnahmen kann.
Übrigens gibt es auch eine starke Gegenbewegung. Die Sparkassen und Volksbanken gehen gerade dazu über, ihren Kunden auch den Handel mit Bitcoin anzubieten. Dort hat man offenbar die Zeichen der Zeit erkannt. Die Anwendung von BTC wächst und wächst. Man kann das Wachstum vielleicht verlangsamen, aber nicht gänzlich aufhalten.
Möchten Sie mit dem »Bitcoin-Komplott« auch eine Art Aufklärungsarbeit über unser Geld- und Wirtschaftssystem betreiben?
Andreas Brandhorst: Mir ging es in erster Linie darum, eine gute, spannende Geschichte zu erzählen, und damit verband sich auch die Möglichkeit, ein Teil des Wissens zu vermitteln, das ich mir bei den Recherchen angeeignet habe. Ich hoffe, es ist mir gelungen, komplizierte Zusammenhänge so zu beschreiben, dass sie jeder versteht. Und ich würde mich sehr freuen, wenn ich mit dem Roman Interesse an Bitcoin und Kryptowährungen wecken konnte.
Fragt Sie Ihr Bekanntenkreis nach Ihrem jüngsten Roman um Rat zu Kryptowährungen und Bitcoin-Investitionen? Geben Sie den Ratschlag, in Bitcoin zu investieren?
Andreas Brandhorst: Ja, das ist tatsächlich der Fall. Ich habe viele Anfragen bekommen, in denen es immer wieder darum ging, wie man am besten in Bitcoin investiert. Und ja, ich rate tatsächlich dazu. Kurzfristig können solche Investitionen aufgrund von Kursschwankungen riskant sein, und deshalb sollte man nur das Geld investieren, das man nicht unbedingt braucht. Aber mittel- und vor allem langfristig lohnt eine Bitcoin-Investition mehr als Anlagen in Wertpapieren irgendeiner Art. Der Kurs wird nach oben gehen, davon bin ich überzeugt, auch deshalb, weil es nie mehr als 21 Millionen Bitcoin geben wird. Steigende Nachfrage bei begrenzter Menge bedeutet steigende Kurse. Ich denke, in ein oder zwei Jahren, vielleicht nach dem nächsten Halving, werden wir einen Kurs von 100.000 US-Dollar für einen Bitcoin sehen.
Übrigens haben sich bei mir auch einige Personen gemeldet, die behaupteten, Satoshi Nakamoto zu sein oder seinen Namen und den von Bitcoin erfunden zu haben. 😉
Was glauben Sie, wie sieht das Geldsystem der Zukunft aus? Wie in einer besseren Welt? Und wie in der Realität?
Andreas Brandhorst: In einer besseren, stabileren, nicht mehr von Spekulanten und Zockern (vor allem in den Banken) dominierten Finanzwelt könnte Bitcoin zu einer globalen Leitwährung werden, unabhängig von Staaten und Wirtschaftsministerien. Diese Trennung von staatlicher Macht und Geld würde maßgeblich zur Stabilisierung des globalen Finanzsystems beitragen. Wenn sich nichts ändert, wenn Staaten und Politik weiterhin das Geld kontrollieren, werden wir eine hohe Inflation bekommen – wie derzeit bereits zu erkennen –, denn das war schon immer ein gutes Werkzeug für den staatlichen Schuldenabbau und die schleichende Enteignung des Bürgers. Außerdem besteht die Gefahr, dass wir auf einen Crash zusteuern, neben dem sich die Große Depression von 1929 wie ein vergnüglicher Kindergeburtstag ausmacht.
Nun interessiert mich noch Ihr Schreiben. Auf Ihrer Website geben Sie einige Schreibtipps und verraten, dass Sie zu den »planenden« Autoren gehören. Sie überlegen sich zunächst den Plot und die Struktur eines Buches und machen sich eingehend Gedanken, bevor Sie zu schreiben beginnen. Wie viel Zeit verbringen Sie mit der Recherche zu einem Thriller? Wie viel Zeit mit dem Schreiben?
Andreas Brandhorst: Beides überschneidet sich. Planung und Vorbereitung eines neuen Romans erfordern intensive Recherche, doch dieses Sammeln von Informationen hört während des Schreibens nicht auf. Oft ergibt sich etwas, das weitere Nachforschungen verlangt. Manchmal dauern die Recherchen einige Monate, gelegentlich ein ganzes Jahr. Planung hilft beim Schreiben sehr, bedeutet aber kein starres Gerüst. Es passiert immer wieder, dass mir während des Schreibens etwas einfällt, das besser ist als in der ursprünglichen Planung vorgesehen, und dann nehme ich entsprechende Anpassungen vor.
Haben Sie bestimmte Schreibroutinen? Wie sehen diese aus?
Andreas Brandhorst: Ich schreibe jeden Tag, sieben Tage die Woche, jeweils drei bis sechs Seiten. Und ich fange früh an, meistens sitze ich schon um sieben Uhr morgens am Computer. Gegen Mittag laufe ich mindestens eine Stunde im nahen Wald. Das ist ein sehr wichtiger Punkt meiner täglichen Routine, denn beim Laufen werden die Batterien der Kreativität aufgeladen. Während der Körper zu tun hat, driften die Gedanken frei dahin. Viele gute Ideen sind mir beim Laufen gekommen. Und natürlich lese ich viel, auch das gehört für mich zu einem erfüllten Tag.
Herr Brandhorst, vielen Dank für die spannenden Antworten auf die Interview-Fragen!
Hinweis: Das Interview mit Andreas Brandhorst habe ich per E-Mail geführt.