Erklärungsversuch mit Schwachstellen: »Das Ende des Geldes, wie wir es kennen« von Alexander Hagelüken

»Das Ende des Geldes, wie wir es kennen« von Alexander Hagelüken

In »Das Ende des Geldes, wie wir es kennen« will Alexander Hagelüken aufzeigen, wie sich unser Geldsystem verändert. Dies gelingt nur bedingt: Die Argumentation des Autors ist nicht immer schlüssig.

»Das Ende des Geldes, wie wir es kennen« von Alexander Hagelüken
»Das Ende des Geldes, wie wir es kennen« von Alexander Hagelüken

Die Rezension zu: »Das Ende des Geldes, wie wir es kennen« von Alexander Hagelüken

Alexander Hagelüken ist Ökonom und leitender Redakteur für Wirtschaftspolitik bei der Süddeutschen Zeitung. Im September 2020 erschien sein drittes Sachbuch »Das Ende des Geldes, wie wir es kennen« im C. H. Beck-Verlag. Der Titel klingt nach einem Buch, das die Volkswirtin lesen muss.

Ein spannender Anfang

Ich habe das 222 Seiten dicke Buch höchst gespannt und aufmerksam innerhalb eines Tages gelesen (davon 40 Seiten Anhang mit Erklärungen und Quellenangaben). Zum Lesefluss hat die Sprache beigetragen. Man merkt den journalistischen Hintergrund Hagelükens: Seine Sprache ist klar, sachlich und verständlich. Seine Argumentation nicht immer.

Das Buch beginnt mit einer kurzen Geschichte des Geldes. Zehn Seiten, auf denen viel Interessantes zu lesen ist. So habe ich gelernt, dass der Ursprung des Wortes Geld vom angelsächsischen Wort gilt oder guilt abstammt, was in diesem Kontext von der Opfer-Schuld herrührt. Und ja, Geld ist ein Werkzeug. »Es erfüllt effizient Zwecke, gute – oder schlechte. […] Menschen müssen gestalten, wie das Werkzeug Geld eingesetzt wird, damit es nicht nur ein paar wenigen nutzt, sondern möglichst vielen.« Bei diesen Sätzen pflichte ich Herrn Hagelüken bei.

Auch sehr informativ sind die beiden folgenden Kapitel zum Thema Bargeld. Hagelüken beschreibt, dass in Schweden Bargeld schon keine große Rolle mehr spielt, während andere Nationen wie die Deutschen viel stärker an dieser Zahlungsform hängen. Er wägt Vor- und Nachteile ab. Effizienz, Anonymität, Daten, Hygiene – alles ist Thema. Vor allem die Daten und die Konzerne. Hagelüken schlussfolgert: »Obergrenzen für Bargeld sind sinnvoll. Deshalb muss es aber niemand abschaffen.  […] Die Bürger sollten weiter Druck machen. Denn die Digitalkonzerne, die Münzen und Scheine abschaffen wollen, sind mächtig. Sie gefährden das Recht auf Bargeld, das essenziell ist: Die Menschen sollen zahlen, wie sie wollen.«

Wie bitte?

Weiter geht’s im Buch mit den Zinsen, besser gesagt den derzeit nicht mehr existierenden Zinsen. Während ich dieses Kapital lese, wird mein zustimmendes Nicken seltener, während die Falten in meinem Gesicht sich mehren. Spätestens bei Hagelükens Erklärung für niedrige Zinsen bin ich schockiert: »Banken wollen möglichst billig Geld bei den Sparern einsammeln, um es mit möglichst hohem Aufschlag an die Firmen zu verleihen. Je billiger die Banken das Geld einsammeln, desto günstiger leihen sie es den Firmen und desto weniger interessieren sich diese für Aktien – ein Teufelskreis auf Kosten des Sparers. So werden ganzen Nationen zum Anlegen in Zinsfallen erzogen.« Wie bitte? Steht das da wirklich? Würden wir ein Vollgeldsystem haben, würde diese Aussage zutreffen. Aber unser System ist ein Schuldgeldsystem, bei dem Banken durch Kreditvergabe neues Geld erschaffen. Sie müssen sich kein Geld vom Sparer leihen! Davon einmal abgesehen haben wir Negativzinsen. Die Banken wollen kein Geld der Sparer, denn sie zahlen drauf, wenn Sparer ihr Geld bei ihnen deponieren.

Widersprüche

Kritisch gespannt setze ich die Lektüre fort: Es folgt ein Kapitel zur Zentralbankpolitik. Auch auf den Corona-Schock wird eingegangen, bevor der Euro analysiert wird. Diese Kapitel wirken auf mich wie eine erratische Aneinanderreihung von Zitaten und Erklärungsversuchen, ohne die Zusammenhänge in einen Kontext zu bringen. Das führt dazu, dass sich Hagelükens Aussagen widersprechen. Hagelüken schreibt beispielsweise: »Global nutzen die Firmen die laxe Geldpolitik, um ihre Schulden auf den Weltrekord von 13 Billionen Dollar zu schrauben.« Da gebe ich ihm recht. Jedoch schreibt er in einem vorigen Kapitel: »Doch die Firmen fragen nicht mehr Kredite nach, sondern weniger. Die Ersparnisse steigen, die Nachfrage nach ihnen sinkt – da sinkt zwangsläufig der Preis dieser Sparprodukte, also der Zins. Auch dieser Trend wirkt seit Dekaden.« Dies ist offensichtlich ein Widerspruch. Mir ist schleierhaft, wie Hagelüken auf letztere Erklärung zu den niedrigen Zinsen gekommen ist.

Hagelüken befürwortet die expansive Zentralbankpolitik: »Alles zusammengefasst, haben die internationalen Zentralbanken in den Jahren seit der Finanzkrise viel geleistet.«

Seine Kritik gilt vor allem den Regierungen, während er die Europäische Zentralbank (EZB) in Schutz nimmt: »Wie die anderen agierte sie meist, weil die Regierungen nicht agierten, um Schaden von ihren Völkern abzuwenden.« Zweifel an der expansiven Notenbankpolitik in bisher nicht dagewesenen Ausmaßen gibt es: »Die Welt erlebt einen Langzeit-Test, ob das Pulver der Notenbank reicht und ihre neuerlichen Großeinsätze bezahlbar bleiben.«

Die polemischen Kapitelüberschriften »Das Endspiel um den Euro« und »Ein Gespenst namens Inflation« überraschen, da der Tonfall des Buches ein anderer ist.

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Zweifel

Jedenfalls gibt der Autor sich zuversichtlich: Die Voraussetzung dafür, dass wir »die gefährliche Reise auf unbekanntem Terrain, in das Regierungen und Notenbanken durch ihre Riesenausgaben vordringen« überstehen, ist laut Hagelüken: »dass Regierungen und Notenbanken den Weg gemeinsam gehen.« Wie bitte? Habe ich richtig gelesen? Das genau ist doch das Problem! Die Zentralbanken und Regierungen kooperieren. Regierungen geben im großen Stil durch die Notenbankpresse finanziertes Geld aus. Gerechtfertigt durch vielerlei Krisen. Dabei ist die EZB laut ihrem Mandat von der Politik unabhängig. Eigentlich darf sie das gar nicht, was sie gerade tut. Und Herr Hagelüken schlägt ernsthaft vor, dass Regierungen und Zentralbanken als Lösung kooperieren sollen? Anscheinend schon: »Regierungen und Notenbanken sollten eine Anti-Corona-Allianz bilden, überall in den Industriestaaten. Dann muss einem um das Geld nicht bange sein – auch wenn Corona die Staatswährungen auf eine gefährliche Reise schickt.« Meine Zweifel an der Kompetenz des Autors, volkswirtschaftliche und geldpolitische Zusammenhänge zu verstehen, sind nun noch größer.

Neben der Anti-Corona-Allianz sieht Hagelüken weitere »Angriffe« auf unsere Staatswährungen: Kryptowährungen wie der Bitcoin und Konzernwährungen wie Facebooks Libra.

Was er von Bitcoin hält, wird durch die Kapitelüberschrift klar: »A bit of shitcoin: Der Krypto-Hype.« Leider wird das ganze Thema innerhalb von weniger als zehn Seiten abgehandelt. Mit dem Fazit, dass es sich bei Bitcoin vor allem um ein Geldmittel für illegale Geschäfte handle. Ein äußerst abgegriffenes Argument, um den Bitcoin zu demontieren. Zu oft habe ich es gehört. Der Euro wurde auch für Cum-Ex-Geschäfte eingesetzt, Bargeld für Geldwäsche. Ist das alles legal? Da sind wir wieder beim anfangs genannten Aspekt des Geldes als Werkzeug. Schade, wenn das weitreichende Feld der Kryptowährungen schnell abgetan wird.

Fazit

Nicht nur beim Thema Kryptowährungen bleibt die Analyse oberflächlich. Ebenso der Schluss: Es gäbe einen »Königsweg, der viele Probleme lösen und den Angriff des Konzerngeldes abwehren würde«. Digitales Zentralbankgeld. Das Schlagwort »E-Euro« taucht einmalig in einem Zitat von Olaf Scholz auf. Mehr kommt nicht, dabei wäre die Diskussion um das digitale Zentralbankgeld ein eigenes Buch wert. Zurück bleibt eine zweifelnde Leserin. Zweifelnd an diesem Schlusswort, an der Kompetenz von Herrn Hagelüken und an der Mission des Buches.

Was wollte Herr Hagelüken mit seinem Buch bezwecken? »Das Buch will helfen zu verstehen, was das neue – und das alte Geld heute wirklich wert ist. Dabei versucht es vor allem, die komplexen Entwicklungen verständlich einzuordnen.« Das ist leider nur mangelhaft gelungen. Anstatt viele komplexe Entwicklungen anzuschneiden und unzureichend einzuordnen, hätte sich der Autor besser auf die Bedrohung des Bargeldes durch Digitalkonzerne konzentriert.


Hagelüken, Alexander: Das Ende des Geldes, wie wir es kennen. C.H. Beck Verlag. Klappenbroschur. 2020. ISBN 9783406757235. 16,00 €.

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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