Was, wenn niemand mehr zur Arbeit gehen würde? – meine eigene Bullshit-Job-Story – Teil 3 von 4

David Graeber hat sich mit dem Begriff der Bullshit Jobs verewigt. Damit bezeichnet der Autor sinnlose Jobs. Als ich 3,5 Jahre in der Finanzbranche in Zürich gearbeitet hatte, kam ich zu dem Schluss, dass auch mein Job in der Branche sinnlos ist. Dass das auf vieles (nicht alles) in der Branche zutrifft. Ich stellte mir die Frage: Was, wenn niemand mehr zur Arbeit gehen würde? Lesen Sie im Folgenden meine Gedanken, kurz bevor ich meine Arbeit kündigte.

Dies ist Teil 3 aus einer Serie mit 4 Teilen zu meiner eigenen Bullshit-Job-Story. Hier geht es zu Teil 1. Und hier zu Teil 2. Nächsten Donnerstage veröffentliche ich Teil 4 der Serie.

Blick auf Zürich

Was, wenn niemand mehr zur Arbeit gehen würde?

Meine eigene Bullshit-Job-Story – Teil 3 von 4

Mai 2014 – drei Tage später

Drei Tage später im Büro. Ich zeichne die Buchstaben des kyrillischen Alphabets auf der Schreibtischunterlage nach. So oft, bis der oberste Papierbogen Löcher hat. Die russischen Wörter habe ich mir aufgeschrieben, um sie nebenbei zu lernen. Mein Gehirn kann heute Morgen keine Vokabeln aufnehmen.

Den Computer habe ich hochgefahren und die Website des »Insurance Insider« geöffnet, ein Nachrichtenportal der Branche. Ich tue so, als würde ich die Nachrichten lesen.

Motivationslos

Ich musste mich überwinden, zur Arbeit zu gehen. Mehr als je zuvor.

Die Motivation ist immer noch weg.

Sie wird nicht wiederkommen. Ich kenne mich gut genug, um das zu wissen. Wer oder was auch immer mich in meiner Freiheit eingeschränkt hat, nimmt mir rasend schnell die Motivation.

Ich bin selbst erstaunt, wie schnell das passiert.

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Was, wenn ich morgen nicht zur Arbeit kommen würde?

Nie mehr kommen würde?

Was, wenn niemand aus der Firma mehr zur Arbeit kommen würde?

Was, wenn es die Firma nicht mehr gäbe?

Es gibt genügend andere Rückversicherer, die um die Anteile bei den Erstversicherungsunternehmen kämpfen.

Kapital gibt es genug. Mehr als genug. Die Zentralbanken überschwemmen den Markt mit frisch gedrucktem Geld.

Zocken in der Finanzbranche

Man spielt gegeneinander und gleichzeitig miteinander.

Versicherer und Rückversicherer treffen in den Verhandlungen aufeinander, jeder möchte viel Geld machen. Die Rechnung kann nicht aufgehen. Es ist eine Wette. Ein Spiel.

Es wird gezockt. Für die sofort fällige Prämie geht der Rückversicherer schon mal ein Risiko ein, das mehrere Jahre besteht. Im nächsten Meeting kann man mit den eingeholten Prämien prahlen.

Wenn tatsächlich ein Schaden eintritt, ist man vielleicht längst woanders.

Sollte es einmal richtig krachen, dann sitzen alle in der gleichen Luxusjacht. Dann hält man zusammen. Die Finanzbranche gegen den Staat oder die Staaten. 2008 hat es geklappt. Paradoxerweise hat die Branche sogar zusätzlich noch staatliches Geld bekommen. Unfassbare Beträge.

Nun darf sie weiterspielen.

Doch die richtig goldenen Zeiten sind vorbei. Die Zeiten der 1990er Jahre, als es hohe Zinsen und hohe Renditen gab. Mit dem angelegten Prämiengeld ließen sich hohe Renditen einfahren.

Bis die Blase mit der Finanzkrise 2007/2008 platzte.

Nach der staatlichen Rettungsaktion durfte die Branche weitermachen. Die Regeln der Staaten sind nur minimal strenger.

Seitdem schiebt man wieder Geld hin und her. Verpackt in komplexe Finanzprodukte. Schließlich soll es nicht jeder verstehen.

Doch jetzt gibt es so gut wie keine Zinsen mehr. Kapital ist genug da. Mit dem angelegten Geld lässt sich jetzt kaum mehr Rendite erzielen. Die Gewinne sinken. Die Luft wird knapper. Sie könnte irgendwann ausgehen.

Prämien, Anteile, Gehälter, Boni, Beziehungen. Ich will bei diesem Spiel nicht mehr mitspielen. Eine große Show. Ich will nicht mehr Teil dieser Show sein.

Was wir tun, schafft keinen Mehrwert für irgendwen, keinen Mehrwert für die Gesellschaft. Im Gegenteil.

Ich kann nicht mehr. Mittagspause. Ich gehe laufen.

Der Blick auf Zürich vom Käferberg aus
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