Gastbeitrag und Interview: Eberhard Licht über »Die freiwillige Wirtschaft«

Eberhard Licht alternatives Wirtschaftssystem

Eberhard Licht schreibt auf letusbe.one über unsere Gesellschaft, das Wirtschafts- und Finanzsystem und seine Ideen über gerechtere Alternativen. Für die Volkswirtin hat er einen Gastbeitrag über »Die freiwillige Wirtschaft« verfasst. Es mag derzeit nach einem interessanten Gedankenexperiment klingen. Aber vielleicht könnte es irgendwann einmal doch eine Alternative zu unserem jetzigen Wirtschaftssystem werden?

Im Folgenden Artikel finden Sie Informationen über den Eberhard Licht, seine Gedanken zur »freiwilligen Wirtschaft«. Am Ende stellt die Volkswirtin ein paar Fragen an den Autor.

Über Eberhard Licht

Eberhard Licht lebte bis zu seinem fünfunddreißigsten Lebensjahr in der ehemaligen DDR. Im Sommer 89 war er aktiv an der friedlichen Revolution beteiligt. Er hat ein Diplom in Verfahrenstechnik und einen Master in Wasser und Umwelt. Nach dem Fall der Berliner Mauer baute er ein Zweiglabor eines süddeutschen Umweltinstituts auf. Später gründete er sein eigenes privates Prüfinstitut. Es war eine staatlich anerkannte Prüfstelle für die Emissionsüberwachung von Industrieanlagen in Berlin. Außerdem gründete er ein Unternehmen, das auf seiner eigenen Patentanmeldung basierte und mit Hilfe von Daten aus dem Mautsystem Lkw-Ströme auf den kombinierten Schienenverkehr umlenken sollte.

Diese Unternehmungen stellte er ein, als er merkte, dass seine beiden jüngeren Kinder mehr Zeit brauchten. Später arbeitete er mehrere Jahre als Freiwilliger in der Obdachlosenunterkunft »Sleep Inn« in Utrecht und beschäftigte sich intensiv mit Ungleichheit und deren Beseitigung. Eberhard Licht ist mit einer Spanierin verheiratet und hat vier Kinder. Er pflegt einen minimalistischen Lebensstil.

Auf seiner Website letusbe.one schreibt er über unsere Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und das Finanzsystem und seine Ideen für alternative Systeme.

Beitrag von Eberhard Licht: »Die freiwillige Wirtschaft«

Seit Jahren wird wissenschaftlich nachgewiesen, dass unser Planet bald irreparable Schäden erleiden wird. Seit Jahren gibt es auch Vorschläge, wie wir besser wirtschaften könnten. Sie können aber nicht umgesetzt werden, weil die unsichtbare Hand des Marktes es nicht zulässt.

Leider vergessen wir, dass wir zuerst unseren ausufernden Konsum und die dafür notwendige Produktion drosseln müssen. Aber wie soll das gehen, wenn wir auf Schritt und Tritt durch Werbung und Rabattaktionen psychologisch quasi gezwungen werden, immer mehr zu kaufen? Jetzt beginnt das Weihnachtsgeschäft und viele Menschen haben Angst davor, dass die Arbeitslosigkeit steigt, wenn weniger gekauft wird.

Neulich stand ich vor einer Küche für alle, einer Küfa. Dort bekommt man das Essen kostenlos, weil die Zutaten dem Container vom Supermarkt entnommen werden und weil Freiwillige daraus leckere Gerichte zubereiten. Ich wollte nur einmal ein bisschen probieren und niemand forderte mich auf, einen ganzen Teller zu nehmen. Jeder bekam etwas, egal ob Manager oder Obdachloser.

Könnte man dieses System nicht auf die gesamte Wirtschaft übertragen? Alles, was dort gebraucht wird, sei es Eisenerz oder das Korn, bekommen wir doch ursprünglich von der Erde und der Sonne geschenkt, es sind doch alles Gaben der Schöpfung, oder nicht? Und Freiwillige gibt es doch auch genug. Der World Giving Index of the Charities Aid Foundation hat ergeben, dass 40 Prozent der Menschen bereit sind, freiwillig zu arbeiten. Somit könnten alle Waren ebenfalls umsonst und nach dem wirklichen und unbeeinflussten Bedarf der Menschen abgegeben werden und niemand müsste Angst vor Arbeitslosigkeit haben.

Wir müssten nur die gesamte Wirtschaft auf dieses freiwillige Wirtschaftsprinzip umstellen.

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Was ist aber mit den Eigentümern des Bodens, auf dem die Rohstoffe gewonnen werden? Diese Eigentümer verkaufen ja heute die Rohstoffe, um ihren Lebensunterhalt damit zu verdienen. Aber wenn diese Eigentümer in der freiwilligen Wirtschaft alles geschenkt bekämen, bräuchten sie freilich den Verkaufserlös überhaupt nicht mehr. Das ist nicht einfach zu verstehen, man muss es sich ein paar Mal durch den Kopf gehen lassen, damit es wirklich klar wird.

Viele fragen mich auch: »Wer macht denn dann die Drecksarbeit, wenn alles freiwillig ist?«. Ja, wir sind froh darüber, dass es Menschen gibt, die wir mit ein paar Cent dazu zwingen können, für uns diese »Drecksarbeit« zu machen. Aber im Ernst, wenn wir weniger arbeiten müssten, dann reichten wahrscheinlich zwei bis drei Tage in der Woche aus. Wir dürfen nicht vergessen, dass dann die ganzen Beschäftigten im Finanzsystem, in den Versicherungen, in den Finanzämtern, im Rechtsbereich freilich auch dazukämen.

Wenn sich 20 Menschen die »Drecksarbeit« einteilen, dann müsste man sie nur einmal im Monat einen Tag lang machen. Außerdem würden viele schwere, gefährliche und eintönige Arbeiten, die jetzt von Billiglöhnern ausgeführt werden, von Robotern übernommen werden können, da es dann keine Kostenkalkulation mehr geben muss.

Wenn sich alle Menschen auf der Welt darüber einig werden würden, die Wirtschaft auf die freiwillige Wirtschaft umzustellen, dann könnte es bis 2025 bereits passieren. Es wären keine Vorbereitungen erforderlich, denn die Anpassung des Produktionsvolumens geschieht nach Bedarf und die Menschen ändern sich von ganz alleine, wenn wir uns gegenseitig beschenken. Niemand wäre benachteiligt und die heutigen globalen Probleme würden sich dann von ganz alleine auflösen.

Alles was wir machen müssten ist, diese Idee weltweit zu verbreiten.

Fragen von der Volkswirtin

Sarah Tischer: Was passiert dann mit dem Eigentum? Was passiert mit den Häusern, in denen Menschen wohnen?  

Eberhard Licht: In der freiwilligen Wirtschaft gibt es kein Geld und somit keinen Profit. Deshalb ist Eigentum nicht schädlich, weil man niemanden mehr damit ausbeuten kann. Insofern ist es bei der Umstellung auf die freiwillige Wirtschaft auch nicht relevant, was mit dem Eigentum passiert, denn die Eigentümer werden mit der Zeit das Interesse daran verlieren, weil sie keinen Vorteil sondern nur noch die Verantwortung dafür haben. Deshalb wird diese Umstellung auch vollkommen gewaltfrei passieren. Das Eigentum wird im Laufe der Zeit automatisch wieder zu Allmende werden.

Was passiert mit Mietverträgen?

Eberhard Licht: Der Vorteil bei der Umstellung auf die freiwillige Wirtschaft ist, dass dieser bei laufendem Betrieb erfolgen kann. Wir wissen anhand vieler Beispiele aus der jüngeren Geschichte, wo Volkswirtschaften zu einem Stichtag auf ein völlig entgegengesetztes Wirtschaftsprinzip umgestellt wurden, dass das möglich ist. Dabei wird es freilich auch so sein, dass Liefer-, Arbeits- und natürlich auch Mietverträge fortgeführt werden. Lediglich die Zahlungsverpflichtung entfällt. Die gesamte Wohnungssituation wird sich außerdem mit einem Male entspannen, weil alle Gebäude, die heute von Banken, Versicherungen und allen weiteren Einrichtungen des Finanzsystems genutzt werden, für Wohnzwecke umgenutzt werden können.

Und: Ich bin auch der Meinung, dass Kooperation ebenso in der Natur des Menschen liegt. Allerdings gibt es immer Menschen, denen dieser Gedanke fern liegt. Menschen, die Macht ausüben möchten und bereit sind, Gewalt auszuüben. Selbst wenn es nur einzelne sind und wenn die Mehrheit mit Ihrem Vorschlag sympathisieren würde: Könnten diese Einzelnen nicht das gesamte System vernichten?

Eberhard Licht: Um diese Frage zu beantworten, müssten wir Beispiele in Gemeinschaften suchen, in denen das jetzige Leben nicht der Tauschlogik unterworfen ist. Heute werden indigene Gemeinschaften oft von ihrem Land vertrieben um diese Flächen für die Rohstoffgewinnung zu nutzen. In der beschriebenen kooperativen und freiwilligen Wirtschaftsform könnten wir uns später von diesen Gemeinschaften Rat einholen, um solche oder ähnliche Konflikte zu lösen. Innerhalb einer indigenen Gemeinschaft werden soziale Sanktionen wie Ausschluss oder soziale Isolation angewandt, um das Verhalten tyrannischer Menschen zu korrigieren oder zu sanktionieren. Dies kann dazu beitragen, die Harmonie und das Gleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Einige Gemeinschaften praktizieren Heilungs- und Versöhnungsrituale, um Konflikte zu lösen und Menschen auf den richtigen Weg zurückzubringen. Diese Rituale können dazu beitragen, dass Menschen Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen und sich wieder in die Gemeinschaft integrieren.

Eine ähnliche Frage wäre, wie Unternehmerinnen und Unternehmer es schaffen werden, dass genügend freiwillige Mitarbeiter für die Produktion zur Verfügung stehen. Heute steht der Wettbewerb im Vordergrund. Wenn der Wettbewerbsdruck entfällt, dann können sich die Unternehmerinnen und Unternehmer hauptsächlich um die Optimierung der Arbeitsbedingungen kümmern. Der Dank der Mitarbeiter wird bestimmt ein besserer Lohn sein als der oft sauer verdiente Erfolg bei der Jagd nach Aufträgen. Wir müssen auch daran denken, dass das berufliche Umfeld ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens ist.

Im heutigen Geschäftsleben gebrauchen die Menschen die Ellenbogen aber im privaten Familienleben verhalten sich die Menschen kooperativ. Es gibt ausreichend soziologische Studien darüber. Die Umstellung der Wirtschaft an einem bestimmten Stichtag können wir uns so vorstellen, als ob wir endlich für immer nach Hause kommen. Wir werden uns nach der Umstellung automatisch nur noch kooperativ verhalten.

Liebe Leser, haben auch Sie Ideen oder Vorschläge, wie ein anderes, besseres Wirtschaftssystem aussehen könnte? Wenn ja, lassen Sie es mich gerne in den Kommentaren oder durch eine Nachricht wissen.

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Ein Gedanke zu „Gastbeitrag und Interview: Eberhard Licht über »Die freiwillige Wirtschaft«“

  1. Das ist bei Weitem der konstruktivste Beitrag zu Lösung unserer planetaren Probleme, die ich je gelesen habe. Kann es wirklich so einfach sein? Kann es sein, dass wir ganz Vieles einfach weglassen können und gar nichts hinzufügen müssen, um aus diesem Schlamassel heraus zu kommen? Mir erscheinen die Gedanken von Eberhard Licht schlüssig und mein Herz begeistert sich definitiv dafür! Lasst es uns tun!

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